Philosophie wird mit dem Tod bestraft.Sokrates sei der weiseste aller Menschen, hatte das Orakel von Delphi gesagt. Er selbst sagte von sich, er wisse nichts. Ausser dem einen. Dass er nichts wisse. Das mache ihn, vielleicht, ein bisschen weiser als die anderen. Geschrieben hat Sokrates nichts, zeitlebens. Was man uber ihn weiss, haben seine Schuler geschrieben: Xenophon, und vor allem Platon. Wie viel es mit dem historischen Sokrates zu tun hat, ist schwer zu sagen. Aber eines steht fest: Im Jahr 399 v.Chr. kam Sokrates vor Gericht. Meletos, ein Redner und Dichter, hatte ihn angeklagt. Ein Strohmann, hinter dem zwei angesehene Burger standen, was jeder wusste. Die Anklage war diffus: Sokrates wurde vorgeworfen, er anerkenne die in Athen offiziell verehrten Gotter nicht. Er fuhre neue Gotter ein, und verderbe die Jugend. Als Strafe fordert die Anklage den Tod. Das Volksgericht, dem 501 athenische Burger angehorten, verurteilte ihn zum Tod. Fur den jungen Platon war das ein pragendes Erlebnis. Jahre spater schrieb er die Rede auf, die Sokrates vor Gericht zu seiner Verteidigung gehalten hatte. Nach eigenen Notizen, aus der Erinnerung man weiss es nicht. Sie war nicht als Bericht uber ein historisches Ereignis gedacht, sondern als Manifest des Konflikts zwischen dem Denker und der Gesellschaft. Zwischen der Philosophie und dem Staat, der anderen Gesetzen gehorcht als die Suche nach der Wahrheit. Das Verfahren gegen Sokrates ist der vielleicht beruhmteste Prozess der Weltgeschichte. Platons Verteidigungsrede ist ein brillantes Stuck Literatur. Und gehort zu den Texten, die sich zweieinhalbtausend Jahre nachdem sie geschrieben wurden, noch immer pro blemlos lesen lassen. Vor allem in der neuen Ubersetzeng des Schweizer Altphilologen Kurt Steinmann, der den raffinierten Text in einem unpratentiosen, prazisen, und lebendigen Deutsch wiedergibt. Drei Reden sind es, die Sokrates vor Gericht gehalten hat, und die in der Apologie zusammengefasst sind. In der ersten verteidigt er sich gegen die Vorwurfe, in der zweiten nimmt er Stellung zum Strafmass, und in dem dritten erklart er, dass er das Urteil akzeptiert. Thomas Ribi
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